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Adultismus – Wie Kinder im Alltag diskriminiert werden (Teil 2)

von Janine Braunegger

Das ist der zweite und letzte Teil unserer Serie zum Thema Adultismus. Im ersten Teil ging es darum, was Adultismus ist, welche Formen es gibt und wer davon betroffen ist. Im zweiten Teil beschäftigen wir uns damit, wie sich Adultismus im Alltag äußern kann. Adultismus zeigt sich darin, dass Kinder von Erwachsenen aufgrund ihres Alters benachteiligt und somit auf sämtlichen Ebenen eingeschränkt werden. Erwachsene glauben aufgrund ihres Alters kompetenter und intelligenter als junge Menschen zu sein.

Wie kann Adultismus im Alltag aussehen?

Im ersten Teil haben wir erklärt, dass Adultismus sowohl in der Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kindern vorkommen kann (“individuelle Ebene”) als auch in verankerten Strukturen in Institutionen, wie zum Beispiel Kindergärten (“strukturelle Ebene”). Adultistisches Verhalten kann sich auf der individuellen Ebene in Sätzen äußern, die Kindern und Jugendlichen das Gefühl geben, inkompetent zu sein und nicht ernst genommen zu werden. Hier sind konkrete Beispiele für Sätze, die diskriminierend für Betroffene sind:

“Stell’ dich nicht so an!” Bei Sätzen wie diesen werden die Grenzen der Kinder und Jugendlichen missachtet. Häufig werden sie gezwungen etwas zu tun, das sie eigentlich gar nicht tun wollen.

“Du kannst doch jetzt nicht schon wieder hungrig sein?” Erwachsene glauben oft besser über die Bedürfnisse des Kindes Bescheid zu wissen, als das Kind selbst. Dass Kinder ihre eigenen Bedürfnisse kennen, wird jedoch bei ähnlichen Sätzen wie diesen nicht ernst genommen.

“Das kannst du noch nicht, du bist dafür noch zu jung.” Sätze wie diese stellen Kinder und Jugendliche als inkompetent dar.

Auf der strukturellen Ebene kann man Adultismus zum Beispiel in Kindergärten erkennen. Zwar gibt es Tische, Stühle und Toiletten, die auf die Größe der Kinder angepasst sind, allerdings sind Stufen, Türklinken und Lichtschalter an die Norm von Erwachsenen angepasst. Kinder werden dadurch teilweise in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und können ohne die Hilfe von Erwachsenen diese Hindernisse nicht überwinden. So bleiben Kinder länger als notwendig von Erwachsenen abhängig.

Welche Auswirkungen hat Adultismus auf Kinder und Jugendliche?

Der diskriminierende Umgang mit Kindern und Jugendlichen hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf deren psychisches Wohlbefinden, sondern auch Langzeitfolgen, die im Erwachsenenalter sehr belastend für Betroffene sein können. Kinder haben Angst davor Fehler zu machen, sie trauen sich weniger zu und halten sich für weniger wertvoll. Sie können ihre Bedürfnisse nicht mehr wahrnehmen oder unterdrücken diese und haben Schwierigkeiten damit, ihre eigenen Grenzen und die von anderen zu kennen und zu wahren. Langfristig kann das zu einem geringen Selbstwertgefühl führen, sowie zur Anfälligkeit für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Suchterkrankungen. Kurz gesagt: Adultismus verhindert Chancengleichheit und dass sich Kinder und Jugendliche selbstbestimmt entwickeln können.

Wie können wir Kinder vor Adultismus schützen?

Die UN-Kinderrechte haben unter anderem die Aufgabe, Kinder und Jugendliche zu schützen. Aber schützen sie deswegen auch vor Adultismus? Ein wichtiger Schritt wäre, das Diskriminierungsverbot bei Kindern und Jugendlichen zu erweitern. Diskriminierung aufgrund des Alters sollte nicht länger erlaubt werden! Abgesehen von den strukturellen Hürden, die als Gesellschaft überwunden werden müssen, können alle dazu beitragen, dass Adultismus verhindert wird. Es ist wichtig zu verstehen, dass Adultismus ein tiefgreifendes Problem ist, das durch Tradition und Machtstrukturen im System verankert ist und somit unbewusst weitergegeben wird. Es ist also unbedingt notwendig, dass man sich über adultistisches Verhalten und adultistische Strukturen bewusst wird, wenn man Adultismus verhindern will. Man kann immer bei sich selbst anfangen und den eigenen Umgang mit Kindern und Jugendlichen hinterfragen: Wie gehe ich mit ihnen um? Wie rede ich mit ihnen und was verlange ich von ihnen? Würde ich so auch mit einem Erwachsenen reden? Würde ich das auch von einem Erwachsenen abverlangen?

Kinder und Jugendliche sind kompetent, intelligent und gut, so wie sie sind. Sie haben ein Recht darauf, mit Respekt behandelt zu werden und dass man ihnen auf Augenhöhe begegnet. Wenn sich junge Menschen später zu selbstbewussten Erwachsenen entwickeln sollen, die das Gefühl haben, dass sie etwas bewirken können, müssen Erwachsene sie durch das Leben begleiten, ohne ihren Erfahrungsvorsprung dabei auszunutzen.

Hast du das Gefühl von deinen Eltern oder den Erwachsenen in deinem Umfeld nicht ernst genommen zu werden, nur weil du jünger bist als sie? Wirst du von Erwachsenen ungerecht behandelt? Dann melde dich bei „Rat auf Draht“, du kannst mit den Menschen dort über alles reden, was dich belastet. Du kannst sie entweder anrufen oder online mit ihnen schreiben:

Rat auf Draht

Telefonnummer: 147 (einfach 147 in dein Handy eingeben und anrufen)
Online chatten: https://www.rataufdraht.at/

Haben Sie in Ihrer Kindheit Adultismus erfahren und fühlen sich in Ihrem Alltag von den Auswirkungen belastet? Zögern Sie nicht, sich damit Expert*innen anzuvertrauen:

Telefonseelsorge

Telefonnummer: 142
Online chatten: https://www.telefonseelsorge.at/

Literatur:

DRK Landesverband Brandenburg e.V. (2022). Adultismus- Wirkung und Folgen. https://www.drk-brandenburg.de/fileadmin/Bilder_und_Videos/Aktuell/Julia_Kreitschmann_-_Adultismus._Wirkungen_und_Folgen..pdf [abgerufen am 28.09.2023]

Manuela Ritz (2008). Kindsein ist kein Kinderspiel: Adultismus – (un)bekanntes Phänomen. https://amyna.de/amyna-medien/dokumente/prog/Kind-sein_ist_kein_Kinderspiel.pdf [abgerufen am 28.09.2023]

Maren Litterscheidt (2019). Adultismus begegnen. https://plustabong.kleinrot.net/wp-content/uploads/2021/09/Examensarbeit-2019.pdf [abgerufen am 28.09.2023]