Kinderrecht auf Stadtraum: Teil 1 – Freiräume schaffen und erhalten

Erstellt am 06.05.2021

Artikel 31 der Kinderrechtekonvention: Recht auf Erholung, kulturelle Betätigung und Freizeit

Die Qualität ergibt sich aus den folgenden Faktoren: gute Luft, vielfältige und ausreichende Möglichkeiten für Bewegung sowie das freie Spiel. Der Mehrwert liegt zweifelsohne darin, dass Kinder eine unbeschwerte Zeit mit Freund*innen und Familienmitgliedern verbringen können und dabei Spaß haben. Kinder verdienen auch ihren Platz mitten in der Gesellschaft.

Der Grazer Augarten

Der Augarten ist eine der wichtigsten innerstädtischen Freiflächen für Kinder und Familien in Graz. Durch die Umgestaltung des Parks kamen die für Kinder und Familien zur Verfügung stehenden Freiflächen, die sich jahrelang sehr gut etabliert haben, unter Druck. Einerseits wird der Park nun sehr stark von eher jungen Erwachsenen genutzt, wo einst die Spielgeräte der Kinder ab 10 Jahren zu finden waren. Andererseits wurde auch der Skaterplatz in den ehemaligen Spielbereich verlegt sowie der Radweg mitten durch den Park geführt. Dadurch fällt nochmals eine ziemlich große Fläche weg. Die verbliebenen Flächen sind einerseits eher für jüngere Kinder, die sich nun den bereits stark genutzten Spielflächen mit den älteren teilen, welche aber auch nicht wirklich mit dem Angebot zufrieden sind.

Durch die starke Befahrung durch Radfahrer*innen, vor allem E-Bikes, E-Scooter, E-Lastenräder wird die Nutzung der Parkwege als Spielraum nahezu unmöglich, vor allem für junge Kinder. All das wirkt sich sehr stark auf die Freiraumqualität für Kinder aus.

Was sagen die Kinder eigentlich selbst dazu?

Jonas ist Mitglied des KinderParlaments Graz und meint zur Veränderung im Augarten folgendes:
„Ich wohn beim Augarten, dort hat man seit der Bucht weniger Platz zum Spielen, auch wegen dem wilden Radweg in der Mitte. Freunde von mir wurden sogar schon zusammengeführt!“

Diese Situation ist schon öfter vorgekommen. Jonas findet diese Stellen voll gefährlich.

„ … der Radweg läuft direkt durch den Park und auch wenn da jetzt Bodenmakierungen sind (gemeinsam mit Rücksicht) – Rücksicht nehmen die wenigsten, die fahren ganz knapp vorbei. Mein Freund Marwin wurde von einem Radfahrer umgefahren und einmal mein Freund Janosch beim Roller fahren!! Um meinen kleinen Bruder hab ich auch manchmal Angst, wenn er Laufrad fährt. Ein LieferFahrer ist mir und meiner Mama auch einmal fast reingefahren. Der ist dann aber nur selber umgefallen. Überhaupt hab ich schon zwei Unfälle dort gesehen, wo dann die Rettung kommen musste.”

Jonas und seine Freunde waren beim Spielen:

„ Wir waren bei der Skaterrampe, sind zuerst gefahren. Dann haben wir zugeschaut und geredet. Marwin wollte für uns ein Eis kaufen gehen und dann war schon der Zusammenstoß.”

Diese Erlebnisse wirken sich natürlich stark auf die Kinder aus. Auf die Frage, wie sie mit der Situation umgegangen sind, hat Jonas geantwortet:

„ Ich hab mich geschreckt, aber zum Glück ist Marwin nichts passiert und seine Mama war daneben. Er hat zuerst vor Schreck kaum Luft bekommen. Es macht mich traurig, aber auch wütend, dass viele Erwachsene soo schnell fahren.”

Diese Erfahrungen wirken sich auch auf das Spielverhalten der Kinder aus:

„ Manchmal gehen wir dann einfach rein, wenn so viel los ist und spielen halt Brettspiele. Bevor die Bucht gebaut wurde, war der Augarten aber der coolste Park! Der Radweg war ganz am Rand und die konnten schnell fahren und wir konnten in Ruhe spielen. Vorher haben wir Hütten, Ritterburg und Tellerhutsche gehabt und Hügel zum Runterbrollen und Schlitten-Fahren im Winter. Das war cool für meine Freunde und mich und alle Stadtkinder. Wir konnten spielen, Roller fahren, Fahrrad fahren, Inliner und Skaten, Verstecken und Abfangen spielen und voll weit laufen. Können wir jetzt zwar auch, aber jetzt ist viel weniger Platz, viel mehr Erwachsene mit Alkohol, Foodtrucks und viel Radverkehr. Beim Spielen müssen wir ständig aufpassen, dass uns niemand umfährt, das ist anstrengend. Vor allem am Nachmittag und Wochenende bei gutem Wetter ist wirklich viel Verkehr – mehr als auf einer Autostraße.”

Wie wird der Augarten wieder kinderfreundlicher?

Zusammenfassend stelle ich fest, der Augarten sollte wieder als qualitätsvoller Freiraum für Kinder und Familien hergestellt werden! Wie kann nun der Augarten wieder als Freiraum für Kinder und Familien gestärkt und erhalten werden?

Zum einen müssen die bestehenden Mobilitäts- und Spielraumkonflikte gelöst werden. Kinder sind manchmal langsam, bewegen sich ungeplant und spielerisch und achten auf andere Dinge in der Umgebung als auf Verkehrsteilnehmer*innen. Diese wollen schnell von A nach B kommen und benötigen eine schnelle Verkehrslinie. Es scheint unumgänglich, dass eine schnelle Radspur um den Park herumgeführt wird und die Parkwege wieder als Aufenthaltsraum zur Verfügung stehen.

Zudem sollten die verloren gegangenen Spielqualitäten wieder in den Park integriert werden, wenn auch an anderer Stelle. Das Ziel sollte es sein, das freie Spiel für Kinder aller Altersgruppen und in weiterer Folge auch ein Miteinander der Generationen zu ermöglichen. Dazu zählen Spielmöglichkeiten für alle Jahreszeiten, Zugang zu Trinkwasser, kinderfreundliche WCs, ausreichende Schattenplätze, soziale Treffpunkte und Streifräume.

Für eine neue Planungskultur!

Wir brauchen eine neue Planungskultur, die auch Kinder in den Stadtentwicklungsprozess miteinbezieht! Kindersensibles Planen und Bauen reiht sich in aktuelle Diskussionen ein, wie die Bestrebungen der feministischen Architekturzugänge oder der Care-Architektur. Dabei hat die Wertschätzung der Menschen und der Natur einen hohen Stellenwert. Ein Paradigmenwechsel ist im Gange, welcher Stadtraum mit den Menschenrechten und den Kinderrechten verbindet. Daher ist es wesentlich, dass viele verschiedene Perspektiven für eine nachhaltig funktionierende Planung miteinbezogen werden.

Für die Praxis bedeutet dies, dass

  • Nutzer*innen und Stakeholder von Anfang an beteiligt werden.
  • sich Planungsmaßnahmen für den öffentlichen Raum an den langsamsten Teilnehmer*innen orientieren.
  • nachhaltige Lösungen gesucht werden – z.B. der Radverkehr soll doch zukünftig gestärkt werden, daher spielt es eine wesentliche Rolle wo und wie dafür langfristig Platz geschaffen wird und wie sich das zum Beispiel auf bestehende Grünflächen, Fußgänger*innen, Menschen mit Behinderungen auswirken wird.
  • keine Bedürfnisse im Diskurs gegenseitig ausgespielt werden.

Manifest für kinderfreundliche Freizeiträume
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Autorin: Katja Hausleitner