Familienbericht: Von Bildschirm zu Bildschirm

Erstellt am 20.04.2021

Was wir positiv erleben …

  • Für alle Familienmitglieder gibt es unmittelbare Recherchemöglichkeiten zu allen Lebensbereichen und zahlreiche seriöse Informationsquellen zum Beispiel Plattformen wie Wikipedia …
  • Alle Arten von Informationen (E-Mails, WhatsApp-Nachrichten, Bilder etc.) lassen sich schnell übermitteln.
  • Durch Online-Meetings spart man sich Anfahrts- und Vorbereitungszeiten.
  • Tools erleichtern das Arbeiten/Leben (zum Beispiel Dropbox, Doodle, WeTransfer etc.): So ist zum Beispiel das Online-Arbeiten mittels Microsoft Teams coronabedingt eine gute Alternative zum Präsenz-Unterricht in den Schulen.
  • Digitale Medien tragen dazu bei, mit der Familie und mit Freund*innen in Kontakt zu bleiben, in dem man zum Beispiel Bilder oder Videos teilt oder chattet …
  • Es gibt ein großes Angebot an altersgerechten Spielen für Kinder, bei denen ihre Kreativität gefördert wird oder bei denen sie spielerisch dazu motiviert werden, sich neues Wissen anzueignen.
  • Viele Spiele haben für die Kinder einen hohen Spaßfaktor und Unterhaltungswert, ohne sie in ihrer gesunden Entwicklung zu beeinträchtigen.

Was uns fordert und manchmal überfordert …

  • Das Spieleangebot für Kinder und Jugendliche ist enorm und beinahe unüberschaubar.
  • Viele Spiele werden entwickelt, um ohne Rücksicht auf das Kindeswohl Geld zu verdienen.
  • Zahlreiche Spiele sind brutal, laut und grell, sie arbeiten mit schnellen Reizen, sie fordern ein sehr überstürztes Agieren/Reagieren und fördern mitunter Aggressionen.
  • Die Altersangaben bei den Spielen sind teilweise zu niedrig angesetzt.
  • Die Kinder werden mit Verlockungen zum exzessiven Spielen verleitet. Zum Beispiel beim beliebten Spiel Fortnite: Es werden immer wieder neue Seasons veröffentlicht, es gibt Spieleupdates, zeitlich begrenzte Event-Modi, Challenges etc.
  • Bei den Online-Spielen ist der Ton bisweilen sehr rau, da es für die Kinder leichter ist, im quasi anonymen Raum und ohne die wirklichen Reaktionen der Mitspieler*innen zu sehen, Schimpfwörter oder Beleidigungen in den Mund zu nehmen.
  • Cybermobbing ist ebenso ein Thema – egal ob auf WhatsApp, auf Facebook, auf Instagram oder beim Online-Spielen …
  • Videoportale wie TikTok, YouTube usw. animieren zum überlangen Verbleiben auf diesen Seiten. Dabei sind die Inhalte der Videos teilweise mehr als fragwürdig, sie sind in mancher Hinsicht rassistisch, diskriminierend, sexistisch, oft nicht altersgerecht, übermitteln Fake-News, fordern zu inadäquaten Denkweisen/Handlungen auf. Die Kinder stumpfen ab und glauben durch die Häufung des Vorkommens bestimmter Inhalte, dass diese sozial und ethisch im „akzeptablen“ Bereich liegen.
  • Kindern werden die Zugänge zu nicht altersgerechten Seiten nicht ausreichend erschwert.
  • Kinder befinden sich in einer irrealen bizarren Scheinwelt und werden mit Reizen überflutet.
  • Immer mehr Kinder haben zwei Bildschirme. Sie sind mit einem Bildschirm beim Online-Unterricht dabei und mit dem anderen in einem Online-Spiel mit Schulkolleg*innen bzw. Freund*innen. Zusätzlich wird teilweise parallel noch ein Video am Handy oder Notebook angesehen.
  • Kinder verlieren sehr viel ihrer Zeit durch das Spielen bzw. den Online-Konsum und haben deswegen wenig Zeit für Hausübungen, für das Lernen, für das Erlernen eines Instrumentes, für Sport, für das Bewegen und Beobachten in der Natur, einfach für das reale Leben.
  • Das Spielen/Konsumieren kann zu Medienabhängigkeit und zu Störungen der Impulskontrolle führen. Eine Computerspielsucht kann sich auch dadurch entwickeln, da viele Spielehersteller mit einem Belohnungs- und Levelsystem arbeiten.
  • Das analoge Lesen wird als zu mühsam und nicht aufregend genug empfunden. Somit wird den Kindern das Eintauchen in ihre eigene Fantasiewelt, das beim Lesen gegeben ist, nicht ermöglicht.
  • Auch anderen Aktivitäten wird weniger nachgegangen und die Aufgabenstellungen der Schule werden häufig nicht mehr genügend erfüllt.

Wir und viele andere Eltern fühlen uns teilweise ohnmächtig beim übermäßigen Medienkonsum/Spielen der Kinder und entwickeln Schuldgefühle, wenn es uns nicht gelingt, die Kinder vom Spielen/Konsumieren abzuhalten. Manchmal haben wir Angst, unserer Verantwortung bei der Erziehung bzw. Begleitung ihrer Kinder nicht gerecht zu werden. Natürlich machen wir uns auch Sorgen um die gesunde physische und psychische Entwicklung unserer Kinder, da der Schlafmangel und die Reizüberflutung dieser nicht zuträglich sind.

Welche Strategien wir ausprobiert haben …

  • Was gut funktioniert hat, war die Kinder zu Treffen im Freien mit anderen Kindern zu motivieren. Gleichzeitig hatten wir als Eltern die Angst, Corona „heimzuholen“, da Kinder Abstände logischerweise nicht immer genau einhalten. Aber der Nutzen durch das Aufhalten und die Bewegung im Freien wog und wiegt auf alle Fälle mehr als das Risiko einer Ansteckung.

Folgendes hat zum Teil funktioniert:

  • Den Kindern zu vermitteln, dass das Arbeiten mit digitalen Medien in der heutigen Zeit notwendig ist, aber auch, dass die übermäßige Nutzung in der Freizeit der gesunden körperlichen und psychischen Entwicklung entgegensteuert.
  • Mit den Kindern gemeinsam Gesellschaftsspiele/Brettspiele/Karten zu spielen, um dadurch das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und eine lustige/interessante Alternative zu bieten.
  • Gemeinsame Aktivitäten wie Bewegung in der Natur oder auch Turnen in der Wohnung bei Schlechtwetter.
  • Gemeinsam hin und wieder einen Film anzusehen.
  • Von den Eltern und den Kindern unterschriebene Verträge mit beiderseitigen Zugeständnissen und Beschränkungen bezüglich der Spielzeit gemeinsam auszuverhandeln.
  • Gemeinsame Gespräche über die Bedürfnisse der Kinder, der Eltern, einfach über das Leben generell zu führen …

Wir fühlen uns oft sehr ratlos und ohnmächtig bei unseren Versuchen, die Spielzeiten zu begrenzen. Außerdem werden wir immer wieder von unseren Kindern darauf hingewiesen, die einzigen Eltern zu sein, die den Kindern „nur“ eine bestimmte Spielzeit billigen und am späten Abend zum Ausschalten des PCs auffordern.

Wie wir uns Hilfe holen …


Wir als Eltern waren bei Vorträgen, beschäftigen uns mit Literatur zu diesem Thema, haben uns bei Expert*innen Tipps geholt und versuchen laufend durch weitere Informationen/Erkenntnisse Inputs zu bekommen, die uns weiterhelfen.

Unter anderem haben wir den Livestream der Kleinen Zeitung mit Herrn Hüther angesehen. Ursprünglich war unser Plan, dass auch die Kinder dabei sind, das haben sie aber rigoros abgelehnt. So haben wir mit ihnen am nächsten Tag gemeinsam die für uns wichtigsten Passagen nochmals angesehen.

Es ist immer wieder interessant, Einblick in die Gedankenwelt anderer Eltern oder Großeltern zu bekommen, und es tut gut, zu erfahren, dass wir mit unseren Sorgen nicht alleine sind. Gelernt haben wir, dass unseren Kindern auch unsere traurigen und schweren Gefühle, dass wir uns um sie sorgen, zugemutet werden können.

Ein Trost ist auch, dass Gerald Hüther sagt: „Kinder, die Regeln gut einhalten, werden als positives Beispiel hergezeigt. Aber dahinter steckt ein Kind, das seine Bedürfnisse unterdrückt hat.“ Unsere Kinder halten Regeln mäßig ein, deswegen leite ich aus dem Zitat die Schlussfolgerung ab, dass sie ihre Bedürfnisse nicht unterdrücken und sie „lautstark“ einfordern, was ja so gesehen auch etwas Positives hat.

Was wir empfehlen können …

  • Motivieren, motivieren, anregen, anregen, motivieren, um von der Scheinwelt wieder in die reale Welt zu kommen: Sport, Bewegung in der Natur, Beobachten der Natur (Pflanzen, Tiere im Jahreslauf …).
  • An Ritualen festzuhalten beziehungsweise neue Rituale an die jetzige Situation angepasst zu schaffen.
  • Sich weiterzuentwickeln, sich weiterzubilden: zum Beispiel: das Erlernen eines Instrumentes; Neues auszuprobieren, zu kochen, zu basteln, kreativ zu sein, defekte Geräte zu reparieren …
  • Speziell für die Eltern: Nicht verzweifeln! Sie sind nicht alleine! Wenn die Schmerzgrenze erreicht ist, sich nicht zu scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
  • Speziell für die Kinder: Sich nicht dem Gruppenzwang unterzuordnen und darüber nachzudenken, was sie alles in der „digitalen Zeit“ machen hätten können!

Was wir uns wünschen …

  • Manchmal, dass das Internet zeitweise gänzlich ausfällt! :)
  • Dass für die Spieleerfinder*innen nicht der wirtschaftliche Gewinn, sondern das Kindeswohl im Vordergrund steht.
  • Dass dieses Thema noch stärker in der Öffentlichkeit behandelt wird und mehr Eltern und „meinungsbildende“ Personen … erreicht, denen die Gefährlichkeit des übermäßigen Spielens/Konsums noch nicht bewusst ist.
  • Ein gegenseitiges Unterstützen/Vernetzen der Eltern mit Erfahrungsaustausch …

Dieser Blogbeitrag wurde uns dankenswerterweise von Eltern zur Verfügung gestellt, denen ein guter Umgang mit digitalen Medien sehr am Herzen liegt.

Erstellt am 20.04.2021

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