Interview mit Autor Michael Hilscher zu Regenbogenfamilien in Kinderbüchern

Michael Hilscher hat 2022 das Kinderbuch „Eduard Erpel und das zauberhafte Ei“ im Selbstverlag publiziert. Sein Ziel: Seiner Tochter, die mit zwei Vätern aufwächst, kindgerecht zu erklären, woher sie eigentlich kommt. Damit hat er einen Nerv getroffen, denn Kinderbücher mit Regenbogenfamilien gibt es noch nicht so viele. Wir haben mit dem Autor darüber gesprochen, warum das so ist und wie wichtig die Repräsentation von Regenbogenfamilien in Medien für alle Kinder ist.

Gratuliere zum Buch! Die englischsprachige Ausgabe von “Eduard Erpel und das zauberhafte Ei” war auf Amazon in den USA bei den Neuzugängen kurzeitig sogar auf Platz 1 in der Kategorie Kinderbücher. Wie geht’s dir damit, dass das Buch so gut ankommt?

M.H.: Ich bin überwältigt, muss ich wirklich sagen. Ich habe das Buch ja vor 7 Jahren schon geschrieben. Der Hintergrund war, das Thema meiner Tochter zu erklären, weil es damals nichts gab. In den letzten anderthalb Jahren haben wir gemerkt, dass die Unwissenheit der Gesellschaft zulasten unserer Familie und vor allem unserer Tochter geht. Deshalb haben wir gesagt, wir müssen da was ändern. Und wer, wenn nicht wir? Mein Mann und ich haben lange überlegt, ob wir das Buch veröffentlichen wollen. In die Öffentlichkeit zu gehen ist doch ein großer Schritt. Im Endeffekt habe ich dann dieses Buch rausgebracht. Ursprünglich hatte ich nicht einmal eine Werbefirma. Mein Mann hat zu mir noch gesagt: „Willst du nicht ein bisschen PR machen?“ Und ich habe gemeint: „Nein, die Leute, die es lesen wollen, werden es schon finden.“ Wir haben das Buch aber auf unseren Instagram-Account gestellt, dann ist irgendwie die Presse darauf aufmerksam geworden. Dann kamen Interviews mit ORF, PULS4, Krone und das hat sich dann verselbstständigt. Ich kann’s bis heute nicht glauben, was da passiert und ich bin so glücklich darüber. Unsere Vision ist, dass man durch die Sichtbarkeit von 2-Dad-Familys diese in die Normalität eingliedert und dass die Kinder da keine Themen mehr haben. Wir machen das für die 2-Dad-Familys aber es gibt auch ganz viele Kinder, die nur bei Mama oder Papa aufwachsen oder mit zwei Mamas oder bei den Großeltern. Ich finde das alles sollte sich heutzutage in die Gesellschaft integrieren. Die Mutter-Vater-Kind-Familie ist nicht die einzige Familienform. Es gibt auch viele andere und das ist aber noch nicht angekommen.

Du hast bereits angesprochen, dass das Buch zustande gekommen ist, weil du deiner Tochter erklären wolltest, wo sie herkommt. Wie alt war deine Tochter, als sie begonnen hat sich zu fragen, wo sie herkommt, und war es sehr schwierig für dich, das Thema altersgerecht aufzubereiten?

M.H.: Bei der ersten Frage war sie ungefähr drei Jahre alt. Obwohl man vorbereitet ist, bleibt da einem erst das Herz stehen. Aber es ist wirklich gut gelaufen. Die Geschichte ist auch entzückend. Wir haben sie von einem Grafiker aufbereiten lassen und da hat sie wegen der vielen Bilder darüber gelacht. Anhand dieser Geschichte hat es später relativ gut funktioniert. Meine Tochter ist immer nur mit zwei Vätern aufgewachsen. Sie hat zwar gesehen, dass es auch Familien mit Mama und Papa gibt, aber für sie war das immer normal. Die Herausforderung ist erst dann entstanden, als sie von anderen Kindern danach gefragt wurde. Die haben sie dann damit konfrontiert: „Nein, das gibt es nicht, das kann nicht sein.“ Meine Tochter hat dann immer gesagt: „Bei mir ist es aber so, natürlich kann das sein.“ Da war sie sehr stolz drauf. Aber da haben mein Mann und ich beschlossen, einen Schritt weiterzugehen. Wir haben ihr dann erklärt, dass es bei Mama und Papa so funktioniert und bei uns zwei Papas hat eine liebe Frau geholfen. Das war dann so wie beim Eduard, wo die Ente die liebe Frau war. Eine liebe Frau hat uns ein Ei geschenkt und dann hat eine zweite liebe Frau geholfen, es auszubrüten. Wir haben unserer Tochter erklärt, dass sie das absolute Wunschkind ist. Und für sie war das immer gut. Sie hat nie geäußert, dass sie das nicht gut findet, sondern eher, dass sie ein bisschen gestresst davon ist, dass die anderen Kinder das dauernd hinterfragen.

Du wolltest beim Publizieren zuerst den Weg über einen Verlag gehen. Es hat zwar Interesse gegeben, aber dann hat sich niemand getraut hat. Warum glaubst du, war das so?

M.H.: Ich glaube das ist ein kontroverses Thema. Ich glaube einfach, dass die Gesellschaft noch nicht so weit ist, eine Regenbogenfamilie so zu akzeptieren, wie sie es mit herkömmlichen Familien tut. Ein Verlag würde sich in seiner Leserschaft bzw. in seiner Zielgruppe mit dem Thema sehr weit rauslehnen. Ich verstehe das aus unternehmerischer Sicht, finde es aber aus gesellschaftspolitischer Sicht sehr traurig.

Weil wir bereits über das Thema Medien und Verlage gesprochen haben: Wie wichtig findest du Bücher, die LGBTIQ*-Themen behandeln, auch für Kinder, die aus traditionellen Familienkonstruktionen kommen?

M.H.: Ich finde das ganz wichtig. Wir kriegen sehr viele Zuschriften, vor allem über Social Media, und das sind Großteils Mütter aus herkömmlichen Familien, die sagen: „Super! Jetzt kann ich meinem Kind mal zeigen, dass es auch andere Sachen gibt.“ Ich habe da auch mit Freunden gesprochen und die haben mir gesagt: „Weißt du, es ist so cool, jetzt können wir unseren Kindern auch mal kindgerecht sagen, dass es auch andere Optionen gibt.“ Da geht es nicht nur um die Option mit zwei Dads und einer Leihmutter, sondern einfach darum, dass es viele Familienkonzepte gibt. Ich glaube für die Zukunft der Gesellschaft wäre es nicht schlecht, wenn die Kinder schon von klein auf damit konfrontiert werden würden. Da spreche ich jetzt wieder nicht nur über die 2-Dad-Familys, sondern auch Patchwork-Familien und andere Familienformen. Allein in meinem Freundeskreis kenne ich eine alleinerziehende Mutter, einen alleinerziehenden Vater und ein Kind, das bei den Großeltern aufwächst. Wir haben da in einem kleinen Freundeskreis schon relativ viele verschiedene Familienformen. Ich glaube, dass das zugunsten der Kinder wichtig ist, zu zeigen wie normal das heutzutage schon ist.

Du hast vorhin angesprochen, dass deine Tochter im Kindergarten gefragt worden ist, warum sie zwei Väter hat und dass das in den Augen der anderen Kinder nicht „normal“ ist. Welche Erfahrungen machen Regenbogenfamilien im Alltag noch so, die herkömmliche Familien in der Form nicht machen würden?

M.H.: In dem Umfeld, in dem wir uns bewegen, ist das durchgehend sehr positiv. Meistens ist das bei meinem Mann und mir, wenn dann zu mir wer sagt: „Deine Frau…“ Ich korrigiere dann immer: „Nein, mein Mann…“ Dann entschuldigen sich viele. Ich sag dann immer: „Das kannst du ja nicht wissen, das ist vollkommen in Ordnung. Das ist keine Sache, wo man sich entschuldigen muss.“ Als Familie sind wir immer sehr liebevoll akzeptiert worden. Man muss auch sagen, dass wir von Grund auf überhaupt keine Aktivisten sind. Wir haben immer gesagt, dass wir das, was es an Rechten gibt, total schätzen und leben. Das ist sehr schön, aber wir sind nie auf die Straße gegangen. Wie es aber auf einmal unser Kind betroffen hat, hat sich das geändert. Da war uns auf einmal wichtig, dass sich was ändert. Wir wollen, dass unsere Kinder in einer besseren und offeneren Welt aufwachsen. Aber wir persönlich haben sehr viele gute Erfahrungen gemacht, muss man auch sagen.

Weil du gerade von einer besseren und offeneren Welt für dein Kind gesprochen hast: Was würdest du dir speziell für Österreich wünschen, was die Situation von Regenbogenfamilien bzw. die Akzeptanz von Regenbogenfamilien betrifft?

M.H.: Ein Umdenken. Es wird immer so verkauft, dass wir so fortschrittlich sind, aber die Ehe für alle gibt‘s im Endeffekt erst seit 2019. Das ist nicht besonders lange und die gibt’s auch nur deshalb, weil der Verfassungsgerichtshof entschieden hat, dass es verfassungswidrig ist, wenn es sie nicht gibt. Und jetzt heftet sich die Politik an die Fahnen „wir sind so offen“. Das stimmt aber nicht. Und das Zweite ist das mit dem Blutspendeverbot in Österreich. Homosexuelle dürfen mittlerweile zwar Blut spenden, aber auch nur weil uns die Blutkonserven ausgehen. Deswegen nehmen wir jetzt auch das „schwule Blut“. Das ist alles eine Augenauswischerei und da gibt’s kein Umdenken. Ich glaube, dass wir in einem sehr stabilen, sicheren Land für Homosexuelle leben. Das ist im Vergleich zu anderen Ländern gut, aber wir sind noch lange nicht so weit, wie der Gesellschaft weißgemacht wird. Und das kann ich beurteilen als jemand, der in der Situation lebt.

Was wünscht du dir, dass die kleinen und großen Leser*innen deines Buchs beim Lesen mitnehmen?

M.H.: Auf jeder Seite gibt’s eine kleine versteckte Spinne. Ich weiß nicht, ob du die entdeckt hast, aber wenn Eduard zum Beispiel weint, hält sie einen Regenschirm oder einmal liegt sie in einer Hängematte. Das ist total süß und die Spinne zu suchen ist der Lieblingsteil meiner Tochter beim Lesen. Was die Leute mitnehmen sollen, ist zuerst mal eine wunderschöne Geschichte. Ich finde sie ist wunderschön und einfach herzergreifend. Und dass die Leute die Scheuklappen vielleicht ein bisschen weiter aufmachen und sagen: „Hey, es ist so viel möglich und nur weil etwas anders ist, muss man ja nicht dagegen sein.“

Herzlichen Dank für das Gespräch!


Das Interview führte Jessica Braunegger. Ihr ist besonders wichtig, dass die Anliegen Regenbogenfamilien, vor allem der Kinder, mehr Sichtbarkeit und Gehör finden. Das Interview fand am 25.8.2022 statt.