20 Jahre FRida & freD – Das Grazer Kindermuseum
Das Grazer Kindermuseum FRida & freD feierte 2023 sein 20-jähriges Bestehen. Wir haben uns mit dem Geschäftsführer und Intendant des Kindermuseums, Jörg Ehtreiber, zum Interview getroffen und ihn zur Entstehungsgeschichte, seinen Highlights und größten Herausforderungen der letzten zwei Jahrzehnte sowie zu kommenden Projekten befragt.
Lieber Jörg Ehtreiber, herzlichen Glückwunsch zum 20-jährigen Jubiläum! Wie beschreibst du einem Kind, was das Kindermuseum FRida & freD ist?
J.E.: Es ist ein cooles Gebäude, von außen schwarz, innen ist es wesentlich bunter als außen. In der Wahrnehmung ist es ein extrem guter Wohlfühlort für Kinder und Familien. Es versucht, in seiner ganzen Atmosphäre die Bedürfnisse und die Erwartungshaltung von Kindern, aber auch Familien zu erfüllen. In dieser Hülle erfährt man ganz viel über die verschiedensten Dinge, die Kinder interessieren – und das auf eine sehr spaßige und lustvolle Art und Weise.
Möchtest du mir erzählen wie es zur Gründung des Kindermuseums gekommen ist?
Die damalige Familienstadträtin Tatjana Kaltenbeck-Michl hat in den USA Kindermuseen kennengelernt und war von diesem Konzept sehr begeistert. Das war viele Jahre vor der Eröffnung des Grazer Kindermuseums 2003. Sie ist viele Jahre an der Idee, ein Kindermuseum für Graz zu bekommen, drangeblieben. Die Realisierung fand im Kulturhauptstadt-Jahr 2003 statt. Davor gab es einige politische Widerstände, ob es so ein Kindermuseum für Graz braucht. Damals hat Wolfgang Lorenz ein umfangreiches Kinderprogramm für die Kulturhauptstadt 2003 mitfinanziert, für das ich auch verantwortlich sein durfte. Das hat damals „Minicosmos“ geheißen. Da gab es auch den Cosmo, diese Stofffigur, die für das Kinderkulturprogramm stand. Dabei wurde das Projekt „Kindermuseum“ auch mit aufgenommen. So wurde unter anderem das Kunsthaus für die Erwachsenenkultur und das Kindermuseum für die Kinderkultur im Kulturhauptstadtjahr realisiert, sowie natürlich auch andere Projekte wie das Literaturhaus, das Haus der Architektur und die Murinsel.
Es gab Baustellenworkshops, um Kinder mit dem Thema „ein Kindermuseum entsteht“ vertraut zu machen. Wir haben uns selbst überlegt, wie wir zu einem Namen für das Kindermuseum kommen, und haben dann Workshops veranstaltet. Einer war mit dem österreichischen Kinderbuchautor Heinz Janisch. Der Heinz Janisch ist mit seiner Gruppe dann auf den Fred gekommen und eine andere Gruppe ist irgendwie über die Friedrichgasse auf die Frida gekommen. Dann haben wir Frida und Fred gehabt und ich bin im Büro bei der Tatjana Kaltenbeck-Michl gesessen mit der Frage, was wir jetzt damit machen. Und sie hat gesagt: „Das ist doch super. Da sind doch beide Geschlechter abgebildet. Dann nehmen wir Frida & Fred.“ Wir wurden oft gefragt wer Frida und Fred sind, und ob es Figuren gibt. Aber die gibt es nicht. Wir haben gesagt, das Haus heißt Frida und Fred.
Und wie war dein persönlicher Weg zum Kindermuseum?
Ich war damals selbstständig, ich habe noch viel für das Technische Museum in Wien gearbeitet. Dort war ich vorher Abteilungsleiter, habe mich dann aber selbstständig gemacht und war aber noch mit dem Technischen Museum in Wien verbunden. Ich habe privat auch für die steirische Landesausstellung gearbeitet. Ich hatte spannende Aufträge. Und dann gab es damals diese Ausschreibung zum Direktor des Grazer Kindermuseums. Ich habe mich beworben und wurde zum Gespräch eingeladen. Was mich besonders gereizt hat, bzw. was mich mehr gereizt hat als bei der Stelle in Wien, die auch zeitgleich ausgeschrieben war, dass es in Graz noch gar nichts gab. In Wien wird das Kindermuseum jetzt 30 Jahre alt, daher hat es damals schon 10 Jahre gegeben und war schon eine eingeführte Marke mit einem relativ klaren Profil. Dagegen hat Graz noch kein Profil gehabt und das hat mich besonders gereizt. Die Frage und Aufgabe von der grünen Wiese weg – also nicht von der Architektur her, der Wettbewerb war schon durch – aber trotzdem gab es noch ganz viel Spielraum, Dinge mitzuentscheiden. Das hat mich gereizt. Ich habe aber auch damit gehadert, das über Bord zu werfen, was ich gerade aufgebaut habe. Aber in der Abwägung siegte diese Idee.
Im Kindermuseum war die wissenschaftliche und die betriebswirtschaftliche Geschäftsführung und Intendanz in einer Hand. Wenn man auf den wissenschaftlichen Teil blickt, ist es schon die Aufgabe, was aus der Richtung mitzubringen, mit der sich mit die Thematik grundsätzlich beschäftigt. In meiner vorherigen Funktion im Technischen Museum in Wien war es meine Aufgabe, Ausstellungen zu gestalten, die mit interaktiven Elementen arbeiten, ein breites Publikum anzusprechen, nicht nur Kinder, sondern auch Jugendliche und alle Menschen. In meiner grundsätzlichen Herkunft bin ich prinzipiell Naturwissenschaftler, also ich bin Physiker und Chemiker. Ich bin aber auch ausgebildeter Mittelschulpädagoge. Also habe ich mir das Ziel gesetzt, jungen Menschen Wissen zu vermitteln. Ich habe auch, wenn man so will, eine zweite Herkunft: Das ist die Schauspielerei und die Bühne und das lässt sich auch im Ausstellungswesen ganz gut miteinander verbinden.
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Welche Highlights hast du in Erinnerung?
Ein Highlight war, dass wir das Haus überhaupt eröffnet haben zu dieser Zeit. Ich bin meinen Job Ende Jänner 2003 angetreten, habe kein Team gehabt, habe kein Budget gehabt, habe gar nichts gehabt. Und im November haben wir das Haus eröffnet mit einer Ausstellung und mit einem Team. Und das Ganze in neun Monaten. Wie ich das damals gemacht habe, weiß ich nicht. Wenn ich das heute machen würde, würde ich es wahrscheinlich nicht mehr schaffen. Zu Beginn habe ich eine Pädagogin gesucht, eine Sekretärin, einen Haustechniker. Wir haben mit einem kleinen Team begonnen in der Wurmbrandgasse. Mit sechs oder sieben Leuten haben wir das konzipiert.
Ein weiteres Highlight war, wir waren mit einer Wanderausstellung in Trinidad und Tobago. Es war ein Kuriosum, dass eine Ausstellung von uns außerhalb von Europa geliehen wurde. Wir sind mit vielen Wanderausstellungen in Europa unterwegs, aber in Übersee waren wir nicht mehr. Das war ein Highlight.
Ein Highlight war sicherlich auch, dass wir sehr schöne Kooperationen mit einer deutschen Stiftung gemacht haben, wo wir mehrere Projekte mit denen verwirklicht haben. Sie haben uns derartig in einer Größe gefördert, sodass wir große Ausstellungsprojekte realisieren konnten.
Ein Highlight war, dass wir gemeinsam mit dem Universalmuseum 2016 eine große „Ecsite“-Konferenz durchgeführt haben. Wir hatten über 1.100 Kolleginnen und Kollegen in Graz für eine Woche. Das war der Startschuss für das Center of Science Activities „CoSa“.
Und ein Highlight war die Übernahme war die Märchenbahn im Schlossberg.
Was war hingegen herausfordernd in den letzten zwei Jahrzehnten?
Eine Herausforderung im Kultursektor ist definitiv immer das Budget. Als Non-Profit-Organisation muss man immer wieder herausstreichen, welchen Stellenwert man hat, also auch welche Aufgaben man in der Gesellschaft erfüllt, welchen Beitrag man leistet. Das ist nie ein Selbstläufer, dass das gesehen wird.
Eine Herausforderung ist immer die „Kinderkultur“ auf eine Ebene mit der „Erwachsenenkultur“ zu heben. Obwohl immer betont wird, wie wichtig die Kinder sind, müssen wir uns immer am meisten erklären und sind nicht immer an erster Stelle mit den Kindern.
Eine große Herausforderung war, wie für alle Kulturinstitutionen, die Pandemiezeit.
Eine permanente Herausforderung ist, die Gesellschaft und Kinder in ihren Bedürfnissen, in ihren Ansprüchen zu beobachten: Was braucht es da? Was verändert sich? [gekürzt] Kindheit sieht heute anders aus als früher. Das bedeutet für uns eine ständige Auseinandersetzung damit, was das für uns und unsere Rolle als Kindermuseum bedeutet. Auf die Veränderung müssen wir reagieren. Das ist eine Herausforderung, da es kein Selbstläufer ist. Vor allem kommen immer mehr Dinge immer schneller auf uns zu und bei allem up-to-Date zu bleiben ist gar nicht so einfach.
Warum ist es deiner Meinung nach wichtig, dass Städte ein eigenes Kindermuseum haben, und was können andere Museen von Kindermuseen lernen?
Das, was ein Kindermuseum für eine Stadt leistet, kann als Bildungsinstitution eben genau für die Zielgruppe beschrieben werden. Aus Sicht einer Stadt ist es ein besonderes Signal, das man aussendet. Man leistet sich ein Schauspielhaus, Opernhaus, Kunsthaus, dann ist es auch ein Signal an die Bevölkerung, dass wir uns das auch leisten. Diese Zielgruppe der Kinder und Familien ist uns wichtig. Ein Kindermuseum leistet sich inhaltlich viel, weil wir Bildungsinhalte an Kinder und Familien kommunizieren. Damit leisten wir einen Beitrag als Bildungsinstitution und außerschulischer Bildungsort. Es gibt natürlich auch gute Kinderprogramme in traditionellen Museen, aber das dürfen sich durchaus die Kindermuseen auf die Brust heften. Es war auch eine Sorge, wenn wir ein Kindermuseum haben, werden alle da hingehen und die anderen Museen sind leer. Das Kindermuseum ist natürlich sehr gut besucht worden. Die anderen Museen haben ihre Programme an Kinder und Familien angepasst. Auch traditionelle Museen haben hervorragende Programme herausgebracht, aber das ist auch passiert, weil Kindermuseen dabei Vorreiter waren. Mit einer speziellen Pädagogik und Fokus kann man eine riesige Zielgruppe erreichen. Kindermuseen schaffen auch spezielle Expertise, die es sonst nicht geben würde. Auch Kindermuseen haben eine hohe Diversität mit unterschiedlichen Schwerpunkten (Kunst, Natur, …). In Europa ist weniger der Fokus auf Pre-School-Education, bspw. ganz anders als in den USA.
Woran arbeitest du zurzeit?
Im Frühjahr eröffnen wir wieder neue Ausstellungen, die sich sehr stark analog den Besucher*innen nähern und Workshop-orientiert sind: „MIST?! Eine Upcycling-Ausstellung für Abfallprofis ab acht Jahren“ und „RITSCH RATSCH Ein saustarkes Papier-Abenteuer für Kinder von drei bis sieben Jahren“. Dahingehend eben analog, da wir feststellen, dass es ein sehr großes Bedürfnis gibt, analoge Angebote zu schaffen. Wir versuchen grundsätzlich immer, wenn es möglich ist, digitale Angebote mit analogen Geschichten zu koppeln. Aber jetzt haben wir gesagt, wir machen mal etwas sehr stark Workshop-orientiertes. Und längerfristig arbeiten wir gerade an einer Ausstellung zum Thema „Erwerb von Medienkompetenz“. Eine Ausstellung, die jungen Menschen den sicheren und reflektierten Umgang mit Medien näherbringen soll und anleiten soll, sich kritisch und reflektiert im Umgang mit Medien zu verhalten. Der Arbeitstitel ist „Digitales Mittelalter“. Das ist ein wichtiges Thema, wie wir auch an Chat-GPT sehen.
Was möchtest du Kindern und Jugendlichen sagen?
Das ist eine gute Frage. Kinder sind in ihren Ansprüchen unterschiedlich. Neben alldem, was an Neuem auftaucht, sollten Kinder auch die Freuden abseits des Digitalen erfahren. Kinder sollen die Neugierde behalten und Neugierde auch gegenüber allen Menschen haben und immer das Positive sehen. Kinder sollen die analoge Welt erfahren und erleben. Es gibt große Potenziale abseits der digitalen Welt. Die Wohnung oder das Haus, wo man lebt, sollte eine große Spielfläche und einen lebendigen Erfahrungsraum bilden. Das wäre wichtig bei den kleinen Kindern.
Was möchtest du den Erwachsenen sagen?
Das Wertschätzen gegenüber Kindern und Familien sollte gelebter Alltag sein. Das sollte bei Entscheidungen, die getroffen werden, immer wieder hinterfragt werden, ob das so ist. Der Informationsgehalt, den Kinder heute aufnehmen, ist ganz ein anderer als früher. Heute, wenn irgendwas auf der Welt passiert, wissen das durch die sozialen Medien alle innerhalb von Minuten. Wenn Kinder heute Sorgen äußern, dann muss man das ernst nehmen. Kinder haben Sorgen, weil sie Informationen haben. Kinder können etwas bewirken und Einfluss auf das Verhalten der Gesellschaft nehmen.
Gibt es noch etwas, das du sagen möchtest?
Was mir persönlich noch wichtig ist, weil wir merken, dass auch die ganz Kleinen in unser Haus drängen: Wie wir auch mehr Raum für die Kleinsten (0 bis 3 Jahre) anbieten. Das können wir bisher nicht leisten, da braucht es Überlegungen für die Stadt. Diesen Bedarf muss man ernst nehmen und das hat damit zu tun, dass sich die Altersstrukturen ändern. Da braucht es einen Fokus der Stadt auf diese Herausforderung. Es gibt bereits Überlegungen vom Kindermuseum zu diesem Thema.
Das Kindermuseum verfolgt stark den inklusiven Ansatz, was jedoch einen hohen Ressourceneinsatz erfordert. Da braucht es Unterstützung von der Stadt.
Wohin entwickelt sich das Kindermuseum Graz in der Zukunft?
Was in der Zukunft sein wird, behaupte ich, wissen wir nicht. Wir sind mit einer Welt konfrontiert, in der Medien eine große Rolle spielen, in der gesellschaftliche Konflikte zwischen Flüchtlingen und Religionsgemeinschaften bestehen. Die Aufgabe des Kindermuseums ist es, dabei als verbindendes Element einen Beitrag zu leisten. Bei den Kindern bei der Offenheit anzusetzen und das Verbindende statt dem Trennenden zu suchen. Es soll das Analoge zusätzlich zum Digitalen gefördert werden.
Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Katja Hausleitner.