ExpertInnen-Interview: Kinderpsychotherapie soll Freude machen! (Teil 3)

Kinderbüro: Wie siehst du die Versorgungslage mit Psychotherapie-Plätzen für Kinder?

Monika Wicher: Der Bedarf ist sicherlich groß. Allerdings  dauert die Psychotherapie-Ausbildung allein schon sehr lange und die Weiterbildung für die Spezialisierung auf die Säuglings-, Kinder und Jugendtherapie bedeutet zusätzlichen Zeitaufwand. Daher entscheiden sich nicht viele PsychotherapeutInnen dafür. Den langen Ausbildungsweg finde ich allerdings in Ordnung, weil die Therapie von Kindern eben sehr viel Spezialwissen erfordert.

Und im Allgemeinen ist es aufwändiger Kinder zu therapieren, weil die Eltern bzw. Bezugspersonen in den Prozess eingebunden werden müssen. Es braucht Elterngespräche, Beratung und Austausch, die gesamte  Situation ist sehr viel komplexer als wenn Erwachsene, die allein, autonom und verantwortlich für sich selbst sind, in Therapie kommen.

Was die Lage in der Psychiatrie betrifft, sehe ich nicht nur einen Mangel an Behandlungsplätzen für Kinder, sondern auch in anderen Bereichen wie der Suchtbehandlung. Wichtig ist es,  diese Mängel transparent zu machen. Den Ansatz zusätzlich ambulante Versorgungsmöglichkeiten zu schaffen, finde ich gut.

Kinderbüro: Hast du Ideen wie auf politischer Ebene die Versorgungslage verbessert werden könnte?

“Wenn es um Kinderrechte geht,
sollte man in der Familienpolitik
mitreden können.”

Monika Wicher: Ich denke, da sollte  sehr allgemein angesetzt werden: Man müsste dafür sorgen,  dass den Menschen mehr Mitteln zur Verfügung stehen, um eine Familie erhalten zu können. Ich denke da an weniger Arbeitsstunden bzw. höhere Löhne und Gehälter und somit mehr Zeit für die Kinder. Es wäre gut, wenn der Staat den Eltern mehr Zeit für die Familie ermöglichen würde. Meiner Meinung nach ist Familienpolitik der wesentliche Faktor, um Kinder und ihre  Gesundheit zu schützen.

Ansonsten finde ich es wie gesagt gut, den Weg weiter in Richtung ambulanter Versorgung zu gehen.

Kinderbüro: Wie beurteilst du die externe Betreuung von Kindern wie bei Tagesmüttern oder in Kinderkrippen? Wirkt sich eine solche auf die psychische Entwicklung aus?

Monika Wicher:
Grundsätzlich finde ich es fein, wenn Kinder so viel Zeit wie möglich in der Familie verbringen können. Allerdings kann man von Männern und Frauen auch nicht verlangen, zuhause zu bleiben, wenn sie gerne arbeiten, tolle Jobs haben oder es sich schlichtweg nicht leisten können. Dann geht es um den berühmten Mittelweg zwischen Arbeitszeit und Familienzeit.

““Es braucht ein Dorf,
um ein Kind zu erziehen.“”

Natürlich sehe ich in der Praxis Kinder mit psychiatrischen Erkrankungen wie Asperger oder ADHS, die mitunter unter zu großen Gruppen gelitten haben. Auf der anderen Seite gibt es Eltern bzw. Elternteile, die in ihrer Entwicklung selbst Defizite haben, wenn es um Zuwendung, Versorgung oder Grenzen setzen geht. In diesen Fällen kann es von Vorteil sein, wenn Kinder früh in pädagogischen Einrichtungen betreut werden. Die BetreuerInnen können für diese Kinder große Ressourcen darstellen. Gemäß dem afrikanischem Sprichwort, dass es viele Beteiligte braucht, um ein Kind zu erziehen bzw. es gut zu betreuen zu können…

Kinderpsychotherapie

 

Kinderbüro: Wie ist es mit den Kosten für Psychotherapie von Kindern?

Monika Wicher: Dieser Bereich ist bereits gut geregelt:  Da gibt es genügend voll bezahlte Kassenplätze oder aber Zuschüsse von der Jugendhilfe, die beantragt werden können. Einige Eltern wollen auch selbst bezahlen, manchmal auch damit die Psychotherapie nirgends aufscheint.

 

Kinderbüro: Welche Bedeutung hat das Spielen für dich persönlich?

Monika Wicher: 
Auch als Erwachsene  kann ich mir ein Leben ohne Spielen gar nicht vorstellen. Spielen ist ja ein „Als ob-Handeln“. Auch der Humor, der mir extrem wichtig ist, hat viel mit „als ob“ zu tun, hat eine spielerische Komponente. Man stellt sich gemeinsam etwas vor und lacht darüber. Spielen ist ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens – in meinem Denken, Reden und Handeln.

“Ohne Humor geht es bei mir nicht,
auch in der Psychotherapie.”

Kinderbüro: Wie ich aus Erfahrung weiß, kommt auch in deiner Arbeit der Humor nicht zu kurz. In den Kindergruppen wird wahrscheinlich auch viel gelacht oder?

Monika Wicher [lacht]:
In den Therapiegruppen sind die Kinder in den ersten Monaten meist noch sehr angepasst, bemüht zu entsprechen. Da sie in der Therapie ja nachgenährt, in ihrer Persönlichkeit gestärkt und ihrer sozialen Kompetenz gefördert werden, werden sie mit der Zeit immer mutiger, mitunter übermütiger. Dann wird auch sehr viel gelacht, teilweise  wirkt es auch sehr chaotisch – auch wenn natürlich immer gewisse Strukturen eingehalten werden müssen. Teilweise werden die Kinder auch fordernder und stehen mehr für ihre eigenen Bedürfnisse ein.

Kinderbüro: Über welchen Zeitraum gehen deine Gruppen durchschnittlich?

Monika Wicher:
Wir starten immer etwa zu Schulbeginn. Durchschnittlich kommen die Kinder für 1 bis 2 Jahre, alle 2 Wochen außer in den Ferien. Der Abschluss wird mit den Kindern besprochen, meist wollen die Kinder gar nicht mit der Gruppe aufhören. Sie verstehen es aber, wenn man ihnen erklärt, dass sie ihre Ziele erreicht haben und es nun wichtig ist, auch woanders bzw. mit anderen Kindern außerhalb der Gruppe zu spielen. Kinder, die im Herbst unbedingt wieder kommen wollen, dürfen jedoch weitermachen – sie brauchen es sehr wahrscheinlich noch. Die anderen vergessen über die Ferien, dass sie nicht aufhören wollten [lacht].

 

Monika Wicher arbeitet als Einzel- und Gruppenpsychotherapeutin und Supervisorin in freier Praxis. Sie ist Lehrtherapeutin für Psychodrama-Psychotherapie im Österreichischen Arbeitskreis für Gruppentherapie und Gruppendynamik (ÖAGG) und an der Donau-Universität Krems sowie Lehrtherapeutin der ÖAGG-Weiterbildung Psychodrama für Kinder und Jugendliche.

 

Hier geht es zu Teil 1 des Interviews – die ersten Schritte in der Kinderpsychotherapie und Teil 2 – die Bedeutung des Spiels und der Ablauf in der Psychodrama-Psychotherapie.

 

Interessante Links zum Thema:

Buchtipps:

  • Gabriele Biegler-Vitek, Monika Wicher: “Psychodrama-Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen: Ein Handbuch”
  • Gabriele Biegler-Vitek, Monika Wicher: “Theorie und Praxis der Psychodrama-Psychotherapie: In der Anwendung mit Eltern, Kindern und Jugendlichen”
  • Hildegard Pruckner: “Das Spiel ist der Königsweg der Kinder”

Gestärkte Kinderrechte: