Sind städtische Randbereiche sichere und bedürfnisgerechte Lebenswelten für Kinder?
von Benedikt Römer, Universitätsassistent am Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz & ehemaliger Kinderbüro-Mitarbeiter
Bilden die Städte und vor allem deren Randbereiche eine sichere und bedürfnisgerechte Lebenswelt für Kinder, in der sie sich unabhängig von ihren Eltern bewegen können?
Diese Frage, die ich mir während meiner Tätigkeit fürs Kinderbüro – Die Lobby für Menschen bis 14 gestellt habe, bildete den Ausgangspunkt für meine Abschlussarbeit im Master „Nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung“ an der Universität Graz. Im Rahmen dieser führte ich eine Studie mit dem Titel „Die städtische Peripherie als Raum für Kinder“ zur Nachbarschaftsmobilität von Kindern in suburbanen Räumen durch. Diese beschrieb der australische Geograph Patrick Love als die Fähigkeit von Kindern sich selbstständig in ihrer Umgebung zu bewegen, ohne währenddessen unter Aufsicht oder in Begleitung eines Erwachsenen zu sein. Während zur Nachbarschaftsmobilität von Kindern in innerstädtischen Wohnquartieren bereits eine breite Studienlage besteht, stand der Standrand nur in wenigen Fällen im Fokus der Forschenden. Zudem wurde der Forschungsgegenstand in Österreich bis dato kaum durch Wissenschaftler*innen untersucht.
Kinder sind Expert*innen für ihre Lebenswelt
Um die Nachbarschaftsmobilität von Kindern zu erforschen, nutzte ich einen Methodenmix aus Interviews in Form eines Spaziergangs durch ihr Wohnumfeld, die auch als Go-Along-Interviews bekannt sind, und subjektive Karten. Bei diesen hatten die Kinder die Möglichkeit, die eigene Nachbarschaft anhand ihrer Erinnerung und Wahrnehmung abzubilden. Beide Methoden richten sich im Gegensatz zu anderen Studien direkt an die Kinder, da ich, wie auch die Freiburger Geographin Verena Schreiber, die Annahme vertrete, dass diese Expert*innen für ihre eigene Lebenswelt sind. Das Erstellen der Karten erfolgte im Zuge von Workshops, die ich mit dritten Klassen der Volksschulen Jägergrund, Liebenau und St. Peter durchführte.
Waldflächen wichtig für Kinder am Stadtrand
Durch die Studie zeigt sich, dass die Nachbarschaftsmobilität von Kindern, die in der Nähe des Stadtrands aufwachsen, sich deutlicher voneinander unterscheidet, als dies in zentrumsnahen Wohnvierteln der Fall ist. Der Grund liegt dabei vor allem in der geringen baulichen und infrastrukturellen Einheitlichkeit von suburbanen Räumen, wodurch die Ergebnisse nur bedingt verallgemeinerbar sind. Es kann jedoch festgestellt werden, dass Waldflächen aufgrund ihrer vielfältigen Zugänge zur Natur bei Kindern besonders beliebt sind. So nutzen Kinder diese, wenn für sie selbstständig erreichbar, intensiv für ihre Erkundungstouren und das unbeaufsichtigte Spielen im Freien. Negativ zu bewerten ist, dass sich die Orte, an denen die Kinder organisierte Freizeitaktivitäten nachgehen, wie Sportverein oder Musikschule, häufig in einer größeren Entfernung zu deren Wohnorten befinden. Die Wege zu diesen Orten absolvieren die Kinder in der Regel nicht zu Fuß, mit dem Roller oder mit dem Fahrrad, sondern werden von ihren Eltern mit dem Auto gebracht. Dadurch bilden die betreffenden Orte „Inseln“ abseits der Lebenswelt der Kinder, die zumeist das direkte Wohnumfeld von diesen umfasst.