ein Kleinkind von vorne, das im hohen Gras sitzt

Grün macht stark – Warum Kinder ein Recht auf Naturräume haben & wie wir sie kindgerecht gestalten können

von Ing. Matthias Jünger, MBA, garden-shop.at

Naturräume sind kein Luxus, sondern ein elementares Kinderrecht. Sie fördern Gesundheit, Selbstbewusstsein und Umweltbewusstsein – und sind für die kindliche Entwicklung so wichtig wie Bewegung, Bildung und emotionale Zuwendung. Studien zeigen: Kinder, die regelmäßig in der Natur spielen, entwickeln mehr Empathie, sind ausgeglichener und lernen nachhaltiger. Darum braucht jedes Kind Zugang zur Natur – egal ob mitten in der Stadt oder auf dem Land.

Naturräume als Kinderrecht – mehr als nur „nett“

Wir reden oft über Chancengleichheit, Bildungsgerechtigkeit, Inklusion. Aber ein Aspekt wird dabei gern übersehen: der gleichberechtigte Zugang zur Natur. Dabei ist das kein romantisches Ideal, sondern ein verbrieftes Recht.

Laut Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder das Recht auf Spiel, Erholung und kulturelle Teilhabe. Und was ist ein freier, selbstbestimmter Spielraum, wenn nicht ein Stück Wiese, ein Kletterbaum oder ein Schlammloch? Auch Organisationen wie UNICEF(1) und das Netzwerk Kinderrechte Deutschland(2) betonen: Der Zugang zu gesunder Umwelt ist ein essenzieller Teil kindlicher Entwicklung – und damit ein Kinderrecht.

Was mich dabei besonders beschäftigt: Naturzugang wird zunehmend zum sozialen Unterscheidungsmerkmal. Während Kinder in ländlichen Gebieten oft zumindest informelle Flächen haben, fehlt es in vielen Städten an sicheren, grünen Zonen. Innenhöfe sind zugeparkt, Schulhöfe betoniert, Spielplätze steril. Kinder, deren Familien wenig Einkommen oder Mobilität haben, bleiben dann buchstäblich draußen vor – vor der Natur, vor der Ruhe, vor der Erfahrung von Wildheit.

Dabei sind gerade Naturräume Orte, wo alle Kinder auf Augenhöhe lernen und wachsen können. Hier braucht es keine Markenklamotten, keine teuren Tablets. Nur Neugier, ein bisschen Dreck unter den Fingernägeln und Erwachsene, die loslassen können.

Naturräume sind nicht nur pädagogisch wertvoll – sie sind ein Spiegel unserer Haltung gegenüber Kindern. Ob wir ihnen Raum geben. Ob wir ihnen etwas zutrauen. Und ob wir bereit sind, ihre Rechte ernst zu nehmen – auch draußen, unter freiem Himmel.

zwei Hände, die in die Erde fahren, beide Hände sind bereits mit Erde bedeckt
Kinderhände pflanzen junge Setzlinge in Erde © Sandie Clarke / unsplash.com (2021)

Was Natur wirklich mit Kindern macht – aus pädagogischer Sicht

Wenn Kinder in der Natur sind, passiert etwas Magisches. Sie toben nicht nur – sie erleben sich selbst. Draußen gibt es keine „falschen Antworten“, keine strengen Regeln, keine stillen Bänke. Dafür echte Erfahrungen, die tiefer wirken als jedes Arbeitsblatt.

Im Wald, auf der Wiese oder im Schulgarten können Kinder Verantwortung übernehmen, selbst entscheiden und direkt erleben, wie Natur funktioniert. Sie lernen dabei ganz nebenbei Geduld, Respekt und Koordination – ohne dass jemand es frontal erklärt.

Ein Beispiel? Eine Gruppe aus der Nachmittagsbetreuung durfte ein Beet selbst gestalten. Eine Schülerin, sonst oft unsicher, bestimmte plötzlich mit ruhiger Stimme, wo die Pflanzen hinkommen sollten – weil sie „weiß, wo mehr Sonne ist“. Das war ihr Moment. Und sie hat ihn gespürt.

Pädagogisch betrachtet ist Natur ein Allround-Talent. Sie stärkt Konzentration, soziale Kompetenzen und Resilienz. Und: Sie wirkt präventiv gegen Stress. Schon wenige Minuten im Grünen senken nachweislich den Cortisolspiegel – bei Kindern genauso wie bei uns Erwachsenen.

Eine Erwachsene und ein Kind von hinten, beide waten durch einen Bach im Wald
Kinder im Waldbachabenteuer © Ellie Storms / unsplash.com (2021)

So gelingt kindgerechte Naturgestaltung – Tipps aus der Praxis

Natur für Kinder muss nicht perfekt sein – sie muss lebendig sein. Statt teurer Spielgeräte reichen oft einfache Mittel: ein Baumstamm, ein Stück hohe Wiese, ein kleiner Hügel. Kinder brauchen Orte, an denen sie selbst entdecken, entscheiden und gestalten dürfen(3).

Wichtig ist, dass Erwachsene nicht alles vorgeben, sondern Räume schaffen, die offen und sicher zugleich sind. Schon eine wilde Ecke im Schulgarten oder ein Beet zum Selbstbepflanzen kann Wunder wirken. Besonders stark wirkt es, wenn Kinder selbst mitgestalten dürfen – das schafft Verbindung. Naturnahe Räume müssen nicht viel kosten, aber sie brauchen Mut zur Einfachheit, Vertrauen in die Kompetenz der Kinder und genügend Raum, um Kindern Fehler zu erlauben.

Quellen:

  1. UNICEF – für jedes Kind (2022) Die Auswirkungen des Klimawandels auf Kinder und Jugendliche.
    https://www.unicef.de/informieren/einsatz-fuer-kinderrechte/klimawandelundkinderrechte
  2. Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention e.V. (2021) Umwelt als Kinderrecht.
    https://netzwerk-kinderrechte.de/home/kinderrechte/umwelt/
  3. GEO Magazin (G+J Medien GmbH), Andreas Weber (2010) Kinder, raus in die Natur!
    https://www.geo.de/natur/oekologie/kinder-raus-die-natur-30164908.html

Kurzporträt des Autors:

Porträtfoto von Matthias Jünger: ein junger Mann mit blonden kurzen Haaren in einem weißen T-Shirt mit einem Wanderrucksack lächelt in die Kamera. Er ist auf einem Berg, im Hintergrund sieht man einen See im Tal.
© Matthias Jünger (2022)

Ing. Matthias Jünger, MBA, betreibt die Plattform Garden-Shop.at und verbindet damit seine Leidenschaft für nachhaltiges Gärtnern mit fundiertem Wissen über Permakultur und Waldgärten. Als begeisterter Hobbygärtner experimentiert er gerne mit klimaresilienten Anbaumethoden, Bodenverbesserung und effizientem Wassermanagement.

Durch seinen Online-Shop für Gartenbedarf hat er direkten Kontakt zu den Herausforderungen, mit denen Gärtner heute konfrontiert sind – von Trockenperioden bis hin zu nachhaltigen Anbaulösungen. Sein Ziel: Praxiserprobte Strategien und hochwertiges Equipment für eine zukunftsfähige Gartenkultur zugänglich machen. Mit seinem Fachwissen teilt er in diesem Artikel bewährte Methoden und Inspiration, um Waldgärten optimal an den Klimawandel anzupassen – für resiliente, produktive und nachhaltige Ökosysteme.