30 Jahre Fratz Graz: Ernst Muhr im Interview

Lieber Ernst, ihr setzt euch schon seit 30 Jahren für das Spielen im öffentlichen Raum ein, magst du mir erzählen, wie du dazu gekommen bist? Was hat dich bewegt, dich fürs Spielen einzusetzen? Gibt es dazu vielleicht eine biografische Geschichte?

Ernst Muhr: Astrid Lindgren hat einmal gesagt: „Kinder sollten mehr spielen, als viele Kinder es heutzutage tun. Denn wenn man genügend spielt, solange man klein ist, dann trägt man Schätze mit sich herum, aus denen man später sein ganzes Leben lang schöpfen kann.“

Ich bin in den 1970-1980 er Jahren in der Augasse in Gösting aufgewachsen und damals war die „Au“ noch an vielen Stellen eine wilde „Gstätten“. Wir (ich, meine zwei Brüder und viele andere Kinder) haben dort die wildesten Spiele gespielt und viele Abenteuer erlebt, so haben wir unter anderem „Lianen geraucht“, Brennnesselsuppe am Lagerfeuer gekocht, Steine über die Mur „geflacherlt“ und Baumhäuser gebaut. …und erst wenn es dunkel wurde, sind wir wieder nach Hause gegangen! Wir hatten damals viele Spielmöglichkeiten und auch eine Menge toller Spielideen.

Doch bereits Anfang der 1990er-Jahre wurden diese Spielräume und Spielmöglichkeiten immer enger und so haben wir 1991 den Verein Fratz Graz gegründet, der mit dem Ziel angetreten ist bestehende Spielräume zu erhalten, das Lebens- und Spielumfeld von Kindern mit Kindern mitzugestalten und zu verbessern und außergewöhnliche Spielmöglichkeiten zu schaffen.

Schnappschuss aus dem Jahr 1991: Ernst Muhr beim Zirkusspiel

Woran arbeitest du/arbeitet ihr aktuell?

Ernst Muhr: Wir werden einerseits nicht ruhig um uns für die Schaffung, Verbesserung und Erhaltung kinder- und jugendfreundlicher Spiel- und Lebensräume in der Steiermark einzusetzen. So begleiten wir gerade Spielplatzplanungsprojekte in mehreren steirischen Gemeinden wie z.B. in Pernegg an der Mur, St. Stefan im Sulmtal, Mureck und Turnau.

Die Straße ist…
… zum Spielen da!

Und trotz der Corona Pandemie versuchen wir auf unserem Abenteuerspielplatz sowie in unseren Jugendzentren und Jugendräumen (Raaba-Grambach, Hitzendorf und Thal) für unsere Besucher*innen da zu sein und ihnen Platz, Raum und Zeit zu geben.

Spielplatzabenteuer

In weiterer Folge bereiten wir auch die nächste Spielmobilsaison vor und denken uns einige neue und spannende Spielideen aus. Auch für das Umweltspielmobil und „Schrotty und Engy – dem Alt-Mach-Neu-Mobil“ sind wir am „Ausklamüsern“ und Ideen entwickeln.

„Schrotty und Engy“ im Einsatz

Was möchtest du gerne Kindern und Jugendlichen sagen?

Ernst Muhr:

Macht Fehler und lernt daraus!
Dazu fällt mir ein wunderbares Zitat von Berthold Brecht ein: “Wer A sagt, muss nicht zwangsläufig auch B sagen. Er kann auch erkennen, das A falsch war”. Also habt keine Angst davor, etwas falsch zu machen! Denn Fehler sind der beste Beweis dafür, dass ihr mutig genug wart, etwas auszuprobieren.

Und zweitens und da halte ich es ganz mit Pippi Langstrumpf und sage: „Lasst euch nicht unterkriegen. Seit frech und wild und wunderbar.“

Ernst Muhr bei der Projektplanung

Was möchtest du Eltern und allen anderen Erwachsenen noch auf den Weg geben?

Ernst Muhr:

Toben Sie nicht, wenn Kinder toben!
Kinder und auch Jugendliche finden heute in ihrer urbanen Umgebung nur noch wenige Möglichkeiten, ihren Spiel- und Bewegungsdrang auszuleben und die Verbote der Erwachsenenwelt sind im Alltag der Kinder und Jugendlichen allgegenwärtig.


„Fußballspielen verboten“, „Spielen und Klettern verboten“, „Lärmendes Schreien verboten“, „Spielen der Kinder auf Hof, Flur und Treppen im Interesse aller Mieter untersagt“; „Betreten der Grünfläche verboten“, „Skaten und Radfahren verboten“… Tja, wir alle brauchen Ruhe in unserer so lauten Zeit!

Am besten spielt es sich in Matsch…
… und Sand!

Lasst Kinder Kinder sein!
Aber auch Anforderungen von Elternhaus und Schule und durchgeplante Tages- und Wochenabläufe behindern nicht selten Spontanität und Experimentierfreude. Die Möglichkeiten zu körperlicher Aktivität sind zwar vorhanden, werden aber von immer weniger Kindern genutzt. Der passive Konsum von Medien auf Handy, Tabletts und Fernseher haben einen Stellenwert erreicht, der im Freizeitverhalten vieler Kinder bestimmend geworden ist.

Aber wir wissen alle, für eine gesunde körperliche und geistige Entwicklung brauchen Kinder Freiräume, in denen sie sich selbst ausprobieren können und dafür brauchen sie genügend Raum, Zeit und Möglichkeiten.
Oder wie der berühmte Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau einmal sagte: „Spielen ist eine Tätigkeit, die man gar nicht ernst genug nehmen kann.“

Was möchtest du sonst noch sagen und weitergeben?

Ich denke, jetzt ist es Zeit für ein Spiel, wie wäre es mit „Roboter dirigieren“?

Die Teilnehmerinnen finden sich in Dreierteams zusammen. Zwei der Teilnehmerinnen sind die Roboter und stellen sich Rücken an Rücken. Die dritte ist die ”Roboterführerin“. Die Roboter bewegen sich im An-Zustand mit kleinen, stetigen Schritten immer geradeaus. Läuft ein Roboter gegen ein Hindernis oder einen anderen Roboter, dann läuft er auf der Stelle und piept dabei.

Mit drei Kommandos lassen sich die Roboter steuern:

  • An-Knopf: Durch ein leichtes Tippen auf den Kopf lassen sich die Roboter anschalten, woraufhin sie loslaufen. Es können immer nur beide Roboter gleichzeitig angeschaltet werden.
  • Linksdrehung: Durch Tippen auf die linke Schulter eines Roboters dreht sich dieser Roboter um 90 Grad nach links.
  • Rechtsdrehung: Analog zur Linksdrehung.

Ziel ist, beide Roboter so zu steuern, dass sie schließlich in ”Parkposition“ (Gesicht an Gesicht gegenüber) stehen und sich dann automatisch abschalten. Stehen alle Roboter in Parkposition, ist das Spiel beendet. Viel Spaß!

Wo immer Ernst Muhr und sein Fratz Graz-Team sind,…
… sind Spiel, Spaß und Abenteuer garantiert.

Vielen Dank für das Interview und die Spielanleitung! Danke für deinen Einsatz, wenn es um das Kinderrecht auf Spielen geht! Und herzliche Gratulation zum 30-jährigen Jubiläum!

Beitragsfotos © Ernst Muhr / Fratz Graz